DIALOG ZWISCHEN DER KOMMISSION FÜR DIE RELIGIÖSEN BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM DES HEILIGEN STUHLS
UND DEM GROSSEN RABBINAT IN ISRAEL

 

7. BEGEGNUNG

Jerusalem, 11.-13. März 2007 – 21.-23. Adar 5767

 

1. Beim siebten Treffen der oben erwähnten Kommission, das in Jerusalem stattfand, stellten die Vorsitzenden Kardinal Jorge Mejía und Oberrabbiner Shear Yashuv Cohen die Bedeutung der Zahl sieben in der biblischen Tradition heraus, die Fülle und erlangte Reife zum Ausdruck bringt. Sie  drückten ihre Hoffnung aus, dass die Fülle der Beziehungen zwischen den katholischen und jüdischen Mitgliedern dieser Kommission eine Quelle des Segens für beide Glaubensgemeinschaften und die gesamte Welt sein würde.

Kardinal Mejía erinnerte auch an den vor kurzem gestorbenen Kardinal Johannes Willebrands, den vormaligen Präsidenten der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, der eine entscheidende Gestalt im Prozess der historischen Umwandlung der katholisch-jüdischen Beziehungen gewesen ist. Sein Andenken möge gesegnet sein.

2. Das Thema des Treffens war “Religions- und Gewissensfreiheit, sowie deren Grenzen”. Die menschliche Fähigkeit zur Wahlfreiheit ist als Manifestation des Bildes von Gott her zu sehen, in Entsprechung zu dem jeder Mensch geschaffen ist (vgl. Gen 1,26-27), und sie ist die Grundlage für das biblische Konzept der menschlichen Verantwortlichkeit und der göttlichen Gerechtigkeit (vgl. Dtn 30,19).

3. Gott hat die menschliche Person als ein soziales Wesen geschaffen, das von seiner Definition her Grenzen der individuellen menschlichen Freiheit aufweist. Zudem kommt die Wahlfreiheit von Gott her, und ist deshalb nicht absolut, sondern muss den göttlichen Willen und das göttliche Gesetz reflektieren. Dementsprechend sind die Menschen aufgerufen, frei dem göttlichen Willen zu gehorchen, der sich in der Schöpfung und in seinem geoffenbarten Wort manifestiert hat.

Die jüdische Tradition betont den Noachidischen Bund (vgl. Gen 9,9-12), der einen universalen moralischen Kodex beinhaltet und die ganze Menschheit in die Pflicht nimmt. Diese Idee kommt in den christlichen Schriften in Apg 15,28-29 zum Vorschein.

4. Dementsprechend steht die Idee eines moralischen Relativismus im Widerspruch zu dieser religiösen Weltanschauung und stellt eine ernste Bedrohung für die Menschheit dar. Auch wenn die Aufklärung geholfen hat, eine Reinigung bezüglich des Missbrauchs von Religion herbeizuführen, braucht die säkulare Gesellschaft dennoch religiöse Fundamente, um bleibende moralische Werte zu stützen. Unter diesen ist das Prinzip der Heiligkeit und Würde des menschlichen Lebens entscheidend. Der ethische Monotheismus bestätigt diese als unverletzliche Menschenrechte und kann daher in dieser Hinsicht für die gesamte Gesellschaft eine Inspiration bereit stellen.

5. Während der Staat im Prinzip in keinster Weise weder die Religionsfreiheit für Individuen und Gemeinschaften, noch die moralische Gewissensfreiheit einschränken sollte, hat er dennoch die Verantwortung, die Wohlfahrt und die Sicherheit der Gesellschaft zu garantieren. Dementsprechend ist er verpflichtet, einzuschreiten wo und wann auch immer eine Bedrohung entsteht durch die Förderung, Anleitung zur oder Ausübung von Gewalt, und besonders von Terrorismus und psychologischer Manipulation im Namen der Religion.

6. Zusätzlich zum Respekt vor der Wahlfreiheit in religiösen Angelegenheiten, sollte die Integrität von Glaubensgemeinschaften garantiert werden. Dementsprechend ist es legitim für eine Gesellschaft mit einer dominanten religiösen Identität, ihren Charakter zu bewahren, solange das nicht die Freiheiten von Gemeinschaften und Individuen in der Minderheit beeinträchtigt, ihre alternativen religiösen Verpflichtungen zu bekennen, noch ihre vollen zivilen Rechte und ihren Status als Bürger begrenzt, was sowohl Individuen als auch Gemeinschaften betrifft. Das verpflichtet uns alle, die Integrität und Würde von heiligen Stätten, Orten des Gebetes und der Gottesverehrung und Friedhöfen aller religiösen Gemeinschaften zu schützen.

7. Im Laufe der Geschichte waren nicht alle religiösen Gemeinschaften diesen Werten gegenüber treu gewesen. Daher gibt es seine besondere Verpflichtung für religiöse Führungspersönlichkeiten und Gemeinschaften, einen unangebrachten Gebrauch der Religion zu verhindern und zu Respekt vor Verschiedenheit zu erziehen, der wesentlich ist, um eine gesunde, stabile und friedvolle Gesellschaft zu gewährleisten.

In dieser Hinsicht besteht eine besondere Aufgabe für Familien, Schulen und die Autoritäten von Staat und Gesellschaft, genauso wie für die Medien, diese Werte künftigen Generationen zu vermitteln.

 

Nachdem sich die bilaterale Kommission 
in der Heiligen Stadt Jerusalem getroffen hatte, 
drückte sie abschliessend in einem Gebet aus, 
dass der Allmächtige sowohl religiöse als auch politische Führer 
in dieser Region und darüber hinaus segnen und inspirieren solle, 
damit sie mit Bestimmtheit den Frieden, die Würde, 
Sicherheit und Ruhe im Heiligen Land für alle seine Menschen 
und für die gesamte Welt fördern.

 

Jerusalem, den 13. März 2007 – 23. Adar 5767

 

Oberrabbiner Shear Yashuv Cohen 
(Vorsitzender der jüdischen Delegation

 Jorge Kardinal Mejía 
(Vorsitzender der katholischen Delegation)

 

 

Oberrabbiner Ratson Arussi

Georges Kardinal Cottier, O.P.

Oberrabbiner Yossef Azran

Erzbischof Antonio Franco

Oberrabbiner David Brodman

Erzbischof Elias Chacour

Oberrabbiner David Rosen

Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo

Herr Oded Wiener

Msgr. Pier Francesco Fumagalli

 

P. Norbert J. Hofmann, S.D.B.