Grusswort beim Nationalen Festgottesdienst „500 Jahre Reformation“
Bern, 18. Juni, 2017

 

Ich freue mich, bei Ihrem Nationalen Festgottesdienst „500 Jahre Reformation“ anwesend zu sein, und ich darf Ihnen Grüsse und Segenswünsche der weltweiten Katholischen Kirche und von Papst Franziskus überbringen. Dieser Gruss ist auch ein sichtbares Zeichen dafür, was reformierte und katholische Christen miteinander verbindet.

                Das, was uns im Glauben gemeinsam ist, kann man kaum besser zum Ausdruck bringen als mit dem Leitwort des heutigen Gottesdienstes: „Wo dein Schatz ist, ist dein Herz“. Damit ist auch die Kernmitte des reformatorischen Glaubens angesprochen, die Martin Luther mit den Worten ausgedrückt hat: „Das Trauen und Glauben des Herzens macht beide, Gott und Abgott… Worauf du nun dein Herz hängst und dich verlässest, das ist eigentlich dein Gott.“ Dass sich in unserem Herzen entscheidet, ob wir Gottesdienst oder Götzendienst vollziehen, hat Huldrych Zwingli mit der Weisheit zum Ausdruck gebracht: „Zu wem der Mensch seine Zuversicht hat, der ist sein Gott.“

                Gott zu erkennen und ihm mit Freude zu dienen: Dies ist der Grundauftrag von uns Christen zumal in der heutigen Gesellschaft, in der Gott, der wahre Schatz unseres Lebens, oft genug mit weltlichen Wirklichkeiten verwechselt wird. Wir machen gerade heute immer wieder die Erfahrung, dass dort, wo Gott nicht als gegenwärtig wahrgenommen wird, sich das Unendliche seine eigenen Paradiese schafft, die freilich nur dem Schein nach unendlich sind. Von daher gibt es nichts Wichtigeres, als in den weithin säkularisierten Gesellschaften die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen. Glaubwürdig können wir dies heute nur in ökumenischer Gemeinschaft tun. Die grösste gemeinsame Herausforderung an die Ökumene nehme ich deshalb in der Zentralität der Gottesfrage wahr.

                Als Christen glauben wir freilich nicht an irgendeinen Gott, sondern an jenen Gott, der uns im Menschen Jesus von Nazareth sein konkretes Gesicht gezeigt und sich in seinem Wort zu erkennen gegeben hat. Auf Christus und sein Evangelium zu hören ist der elementare Anspruch der Reformation, wie er in der Grunddevise Zwinglis verdichtet ist: „Losend dem Gotzwort“. Zwingli ist es vor allem um die Ehre Gottes und von daher um den Trost der Gewissen der Menschen gegangen.

                Zentralität der Gottesfrage und Christozentrik sind die Herzensanliegen der Reformation. Wenn sich reformierte und katholische Christen heute gemeinsam darauf konzentrieren, geben sie ihren Beitrag für die Überwindung der Spaltung, die uns seit fünfhundert Jahren belastet, und wird ein Reformationsgedenken in wahrhaft ökumenischer Gemeinschaft möglich. Dafür bin ich ebenso dankbar wie für die Gemeinschaft im Glauben, die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen ist. Ich wünsche den reformierten Schwestern und Brüdern neue Freude an der reformatorischen Botschaft des „solus Deus“, dem wahren Schatz unseres Herzens, und ich hoffe, dass wir auch weiterhin gemeinsam den Weg in die Zukunft gehen und uns dabei vom Heiligen Geist den Weg weisen lassen.