Grusswort beim Gemeinsamen Buss- und Versöhnungsgottesdienst Hildesheim, 11. März 2017

Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen

 

Am heutigen Buss- und Versöhnungsgottesdienst teilzunehmen ist mir eine grosse Freude, und ich darf Sie auch im Namen des Heiligen Vaters Franziskus herzlich begrüssen. Das heutige ökumenische Ereignis ist ein eindrucksvolles Zeugnis für Jesus Christus, unseren gemeinsamen Herrn und Gott, der uns zu Versöhnung und Einheit ruft. Dankbar nehme ich hier in Deutschland, einem der wichtigen Geburtsländer der Reformation, authentische Sehnsucht nach einer weiteren Annäherung unter uns Christen wahr, die verheissungsvolle Wege in die Zukunft ermöglichen wird.

                Wenn Versöhnung das Vorzeichen eines gemeinsamen Reformations-gedenkens ist, dann stehen zwei zentrale Elemente im Vordergrund. An erster Stelle verdient die Dankbarkeit für all das erwähnt zu werden, was die Reformation an positiven spirituellen und theologischen Einsichten gebracht hat und was evangelische und katholische Christen heute gemeinsam bezeugen. Im Jahre 2017 erinnern wir nicht nur fünfhundert Jahre Beginn der Reformation, sondern auch fünfzig Jahre intensiven Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken, in dem wir entdecken durften, wie viel uns gemeinsam ist. Der Dialog mit dem Lutherischen Weltbund ist der erste gewesen, den die Katholische Kirche gleich nach dem Konzil begonnen hat und der sich als sehr fruchtbar erweisen hat.

                Die Hände, die sich evangelische und katholische Christen in den vergangenen Jahrzehnten gereicht haben, lassen sich nicht mehr los. Sie falten sich aber ebenso gemeinsam zur inständigen Bitte um Vergebung für die grosse Schuld, die katholische und evangelische Christen in der Geschichte auf sich geladen haben. Denn die Reformation hat nicht, wie die Reformatoren es beabsichtigt haben, zur Erneuerung der ganzen Kirche geführt, sondern zu ihrer Spaltung. Im 16. und 17. Jahrhundert haben grausame Konfessionskriege stattgefunden, in denen sich Christen bis aufs Blut bekämpft haben. Angesichts dieser tragischen Geschichte, in der der eine Leib Christi verwundet worden ist und Christen im Namen der Religion Gewalt gegeneinander ausgeübt haben, haben katholische und evangelische Christen allen Grund, Klage zu erheben und Busse zu tun für die Missverständnisse, Böswilligkeiten und Verletzungen, die sie einander in den vergangenen fünfhundert Jahren angetan haben.

                Für unseren weiteren Weg brauchen wir als geistliche Wegzehrung die Reinigung des geschichtlichen Gedächtnisses, die Papst Franziskus mit den Worten anmahnt: „Wir können Geschehenes nicht auslöschen, aber wir wollen nicht zulassen, dass die Last vergangener Schuld weiter unsere Beziehungen vergiftet. Die Barmherzigkeit Gottes wird unsere Beziehungen erneuern.“[1] Dass Barmherzigkeit und Versöhnung die Leitperspektiven des ökumenischen Weges gerade im Jahr des Reformationsgedenkens sind, ist die Botschaft der heutigen Versammlung hier in der Michaeliskirche in Hildesheim. Bitten wir den gnädigen und barmherzigen Gott, dass vom heutigen gemeinsamen Gottesdienst Signale der Versöhnung und des Aufbruchs ausgehen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern für die ganze christliche Welt. Indem wir Gott danken, dass wir zum ersten Mal in der Geschichte den Reformationstag in ökumenischer Gemeinschaft begehen können, verpflichten wir uns, zusammen zu bleiben in der spannenden Zuversicht, wohin uns der Heilige Geist führen wird.

 

 

 

 

[1].  Franziskus, Predigt in der Vesper am Hochfest der Bekehrung des Apostels Paulus in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar 2016.