RICHTLINIEN FÜR DIE ZULASSUNG ZUR EUCHARISTIE
ZWISCHEN DER CHALDÄISCHEN KIRCHE UND
DER ASSYRISCHEN KIRCHE DES ORIENTS

20. Juli 2001

 

Angesichts der äußerst schwierigen Lage vieler chaldäischer und assyrischer Gläubigen in ihrer Heimat und in der Diaspora, denen dadurch ein normales, ihrer Tradition entsprechendes sakramentales Leben versagt ist, und im ökumenischen Kontext des beiderseitigen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients wurde beantragt, die Zulassung zur Eucharistie zwischen der chaldäischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients zu erteilen. Dieser Antrag wurde zunächst von der Gemeinsamen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients geprüft. Danach wurden vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen in Übereinstimmung mit der Kongregation für die Glaubenslehre und der Kongregation für die Orientalischen Kirchen die vorliegenden Richtlinien erstellt.

 

1. PASTORALE NOTWENDIGKEIT

Der Antrag um Zulassung zur Eucharistie zwischen der chaldäischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients hängt mit der besonderen geographischen und sozialen Lage zusammen, in der sich ihre Gläubigen zur Zeit befinden. Aufgrund verschiedener und manchmal dramatischer Umstände haben viele assyrische und chaldäische Gläubige ihre Heimat verlassen und sind in den Nahen Osten, nach Skandinavien, Westeuropa, Australien und Nordamerika ausgewandert. Weil in einer so ausgedehnten Diaspora nicht für jede örtliche Gemeinschaft ein Priester zur Verfügung steht, befinden sich die chaldäischen und assyrischen Gläubigen in einer pastoralen Notsituation im Hinblick auf die Spendung der Sakramente. Für solche Notfälle sind vom Codex des kanonischen Rechts der Orientalischen Kirchen, can. 671, Par. 2–3, und vom Direktorium für die Anwendung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, Nr. 123, besondere Regelungen vorgesehen.

 

2. ÖKUMENISCHE ANNÄHERUNG

Der Antrag steht auch mit dem derzeitigen ökumenischen Annäherungsprozeß in Zusammenhang, der zwischen der katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients im Gang ist. Durch die Gemeinsame Christologische Erklärung, die 1994 von Papst Johannes Paul II. und von Patriarch Mar Dinkha IV. unterzeichnet wurde, wurde das dogmatische Hauptproblem zwischen der katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients gelöst. Infolgedessen hat auch die ökumenische Annäherung zwischen der chaldäischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients eine neue Entwicklungsphase erreicht. Am 29. November 1996 haben Patriarch Mar Raphael Bidawid und Patriarch Mar Dinkha IV. eine Reihe gemeinsamer Anträge unterzeichnet in der Absicht, zur Wiederherstellung der vollen kirchlichen Einheit zwischen den beiden historischen Erben der alten Kirche des Orients zu gelangen. Am 15. August 1997 haben die Synoden der beiden Kirchen dieses Programm gebilligt und in einem Gemeinsamen Synodalen Dekret bekräftigt. Die beiden Patriarchen haben mit der Unterstützung der jeweiligen Synoden einer weiteren Reihe von Initiativen zugestimmt mit dem Ziel, die fortschreitende Wiederherstellung ihrer kirchlichen Einheit zu fördern. Die Kongregation für die Orientalischen Kirchen und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen ermutigen diesen Prozeß.

 

3. DIE ANAPHORA VON ADDAI UND MARI

Die Hauptfrage für die katholische Kirche im Hinblick auf die Annahme des Antrags bezog sich auf das Problem der Gültigkeit der Eucharistie, die mit der Anaphora von Addai und Mari gefeiert wird, einer der drei Anaphoren, die in der assyrischen Kirche des Orients allgemein verwendet werden. Die Anaphora von Addai und Mari ist die einzige, die man seit undenklichen Zeiten ohne den Einsetzungsbericht verwendet. Weil die katholische Kirche die Worte der eucharistischen Einsetzung als wesentlichen und damit unerläßlichen Bestandteil der Anaphora oder des Eucharistischen Hochgebets betrachtet, hat sie eine lange und eingehende Untersuchung über die Anaphora von Addai und Mari in geschichtlicher, liturgischer und theologischer Hinsicht durchgeführt, an deren Ende, am 17. Januar 2001, die Kongregation für die Glaubenslehre zu dem Schluß gelangt ist, daß diese Anaphora als gültig betrachtet werden kann. Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. hat diese Entscheidung gebilligt. Der Schluß, zu dem man gelangt ist, gründet auf drei hauptsächlichen Überlegungen. –

Zunächst ist die Anaphora von Addai und Mari eine der ältesten Anaphoren und geht auf die Anfänge der Kirche zurück. Sie wurde in der klaren Absicht zusammengestellt und angewandt, die Eucharistie in voller Kontinuität mit dem letzten Abendmahl und dem Anliegen der Kirche entsprechend zu feiern. Ihre Gültigkeit wurde offiziell nie bestritten, weder im christlichen Osten noch im Westen.

In zweiter Linie erkennt die katholische Kirche die assyrische Kirche des Orients als eine wahre Teilkirche an, die auf dem orthodoxen Glauben und auf der apostolischen Nachfolge gründet. Die assyrische Kirche des Orients hat auch den vollen eucharistischen Glauben an die Präsenz unseres Herrn unter den Gestalten von Brot und Wein und an den Opfercharakter der Eucharistie bewahrt. Deshalb finden sich in der assyrischen Kirche des Orients, obwohl sie nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche steht, »wahre Sakramente, vor allem in der Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie« (Unitatis redintegratio, 15). –

Schließlich sind die Worte der eucharistischen Einsetzung in der Anaphora von Addai und Mari tatsächlich vorhanden, zwar nicht als fortlaufender Bericht und »ad litteram«, aber an verschiedenen Stellen und euchologisch, das heißt, sie sind in die nachfolgenden Gebete der Danksagung, des Lobpreises und der Fürbitte eingeflochten.

 

4. RICHTLINIEN FÜR DIE ZULASSUNG ZUR EUCHARISTIE

Unter Berücksichtigung der liturgischen Tradition der assyrischen Kirche des Orients, der lehrmäßigen Klärung in bezug auf die Gültigkeit der Anaphora von Addai und Mari, des derzeitigen Kontexts, in dem die assyrischen und chaldäischen Gläubigen leben, der entsprechenden in den offiziellen Dokumenten der katholischen Kirche vorgesehenen Normen, des Annäherungsprozesses zwischen der chaldäischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients werden folgende Regelungen festgesetzt:

1. In Notfällen können die assyrischen Gläubigen an einer chaldäischen Eucharistiefeier teilnehmen und die heilige Kommunion empfangen; gleicherweise können die chaldäischen Gläubigen, für die es physisch oder moralisch unmöglich ist, sich an einen katholischen Amtsträger zu wenden, an einer assyrischen Eucharistiefeier teilnehmen und die heilige Kommunion empfangen.

2. In beiden Fällen feiern die assyrischen und chaldäischen Priester die heilige Eucharistie gemäß den liturgischen Vorschriften und Bräuchen ihrer eigenen Tradition.

3. Wenn die chaldäischen Gläubigen an einer assyrischen Eucharistiefeier teilnehmen, ist der assyrische Priester ermutigt, in die Anaphora von Addai und Mari die Einsetzungsworte einzufügen, wie es von der Heiligen Synode der assyrischen Kirche des Orients erlaubt wurde.

4. Die vorgenannten Ausführungen über die Verwendung der Anaphora von Addai und Mari und die gegenwärtigen Richtlinien für die Zulassung zur Eucharistie sind ausschließlich für die Eucharistiefeier und für die Zulassung zur Eucharistie der Gläubigen der chaldäischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients zu verstehen, und zwar auf Grund der pastoralen Notwendigkeit und des ökumenischen Kontexts, von denen zuvor die Rede war.

 

Rom, am 20. Juli 2001