Grusswort zum zwanzigsten Jahrestag der Gründung
von „Unità dei Cristiani“

(Rom, im August 2021)

 

Liebe Mitglieder und Freunde der „Unità dei Cristiani“!

„Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht einen jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen.“ Mit dieser unmissverständlich klaren Wegweisung beginnt das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“ das zweite Kapitel über „Die praktische Verwirklichung des Ökumenismus“. Das Dekret ruft damit in Erinnerung, dass für die Christen die Förderung des ökumenischen Anliegens nicht einfach eine Frage der persönlichen Liebhaberei sein kann und dass es sich auch nicht einfach um eine zusätzliche Aufgabe handelt, die man angesichts von scheinbar wichtigeren Prioritäten auch zurückstellen könnte und dürfte. Die ökumenische Verantwortung ist für jeden Christen vielmehr eine grundsätzliche Verpflichtung: Sie ist nicht Kür, sondern Pflicht!

Von dieser Glaubensüberzeugung, die das Zweite Vatikanische Konzil der ganzen Kirche ans Herz gelegt hat, sind auch jene Christen bewegt gewesen, die vor zwanzig Jahren, genauer am 10. Oktober 2001 im Kloster Ochsenhausen den Förderverein und die Initiative „Unità dei Cristiani“ gegründet haben. Sie haben sich vom gläubigen Bewusstsein leiten lassen, dass die Christen die in der Geschichte durch viele Spaltungen arg verwundete und verloren gegangene Einheit wiederfinden müssen, damit die Welt die schöne und frohe Botschaft des Evangeliums Jesu Christi glauben kann, und dass der Ernst dieses Auftrags alle ökumenischen Bemühungen, Begegnungen und Dialoge beseelen muss.

Die Initiative „Unità dei Cristiani“ wird massgeblich von Laien getragen und verfolgt das Ziel, das ökumenische Anliegen in der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit präsent zu halten, und zwar vor allem durch ökumenische Anlässe und Tagungen, durch ökumenische Besinnungen und Gottesdienste und durch die Vergabe eines Ökumene-Preises an bedeutende Persönlichkeiten und Projekte, die bisher bereits sieben Mal vorgenommen werden konnte. Die Initiative unterstützt ferner Personen wie Institutionen, die ökumenische Verantwortung tragen, mit ihren Überlegungen und Gebeten, und sie stellt fördernde Hilfen für ökumenische Projekte bereit.

Im Rückblick auf die vergangenen zwanzig Jahre drängt sich an erster Stelle ein aufrichtiges Wort der dankbaren Anerkennung auf. Der Dank gilt zuerst den Gründern der Vereinigung, vor allem Kardinal Walter Kasper und Herrn Andreas Meier zusammen mit vielen Christen, die ihren Beitrag zur Förderung der Einheit der Christen leisten wollen. Herzlich danke ich dem Präsidium und Beirat für die gediegene Wahrnehmung ihrer Verantwortung, und vor allem dem Präsidenten und seiner geschätzten Ehefrau, Jutta und Max Semler, die mit grosser Kompetenz und liebenswürdiger Leidenschaft ihre präsidiale Aufgabe ausüben. Gerne danke ich auch den beiden kirchenleitenden Repräsentanten, dem katholischen Bischof Gebhard Fürst und dem evangelischen Landesbischof Frank O. July, für die procuratorische Verantwortung auf der regionalen Ebene.

Ein besonderes Wort des Dankes sage ich dem Verein „Unità dei cristiani“ für den finanziellen Beitrag, mit dem er seit vielen Jahren auch den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen unterstützt. Ich verwende dieses Geld jeweils gerne für den Austausch von Studierenden und Seelsorgenden aus verschiedenen Kirchen. Die Geschichte führt uns vor Augen, dass viele Spaltungen in der Kirche dadurch entstanden sind und bis heute weiterdauern, dass sich verschiedene kirchliche Gemeinschaften gegenseitig kulturell und damit auch theologisch voneinander entfremdet haben. Ich bin von daher überzeugt, dass die Ermöglichung des gegenseitigen Sich-Kennenlernens von jungen Vertretern verschiedener Kirchen einen der wichtigsten Beiträge für die Zukunft der Ökumenischen Bewegung darstellt.

Wer in die vergangenen zwanzig Jahre zurückblickt, wird dankbar feststellen, dass weitere Fortschritte in der ökumenischen Verständigung möglich geworden sind. Er wird aber auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Ökumenische Bewegung nicht immer ein geradliniger Weg und nicht einfach eine Königstrasse ist, auf der es vierspurig immer in der gleichen Richtung weitergehen könnte. Man muss vielmehr auch damit rechnen, dass es auch Umwege und Abwege geben kann. Dies kann jedoch nie in die Resignation führen, sondern muss vielmehr erneuter Anlass sein, in geduldiger Leidenschaft den Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft weiterzugehen und in liebenswürdiger Hartnäckigkeit die Suche nach der Wiedergewinnung der Einheit der einen Kirche Jesu Christi wach zu halten. Dazu hat Papst Franziskus in seiner Ansprache an eine Delegation des Lutherischen Weltbundes im vergangenen Juni mit den Worten ermutigt: „Gehen wir also mit solcher Passion auf dem Weg der Krise unseren Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft weiter. Im nächsten Schritt wird es um das Verständnis der engen Verbindung zwischen Kirche, Amt und Eucharistie gehen.“

Die Initiative „Unità dei Cristiani“ steht und fällt mit der Überzeugung, dass es zur Ökumene schlechterdings keine Alternative gibt. Um der Glaubwürdigkeit der Verkündigung des christlichen Evangeliums und der Sendung der Christenheit in der heutigen Welt willen ist die Ökumene Not-wendend, sie entspricht dem Willen unseres gemeinsamen Herrn und ist eine Frucht des Heiligen Geistes. Es wäre Kleinglaube, würden wir dem Heiligen Geist nicht zutrauen, dass er das, was er verheissungsvoll begonnen hat, auch weiter und zu Ende führen wird – freilich zu jener Zeit und so, wie er will. Dass der Förderverein „Unità dei Cristiani“ seine Berufung weiterhin in dieser glaubenden Grundhaltung wahrnimmt und zum Dienst an der Einheit der Christen ermutigt, ist mein mit Dankbarkeit erfüllter Segenswunsch anlässlich des zwanzigsten Jubiläums seiner Gründung.