DIALOG ZWISCHEN DER KOMMISSION FÜR DI RELIGIÖSEN BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM DES HEILIGEN STUHLS
UND DEM GROSSEN RABBINAT IN ISRAEL

 

3. BEGEGNUNG

Jerusalem 1.-3. Dezember 2003, 6-8 Kislev 5764

 

1. Nach zwei Treffen in Jerusalem (Juni 2003, Tammuz 5762) und Grottaferrata/Rom (Februar 2003, Shvat 5763) kamen die entsprechenden hochrangigen Delegationen in Jerusalem zusammen, um folgendes Thema zu vertiefen: »Die Bedeutung der zentralen Lehren in den Heiligen Schriften, die wir gemeinsam haben, für die heutige Gesellschaft und die Erziehung künftiger Generationen

2. Die Beratungen fanden in einer Atmosphäre gegenseitiger Freundschaft und gegenseitigen Respekts statt. Zudem brachte man große Zufriedenheit über die solide Basis zum Ausdruck, die bereits zwischen den beiden Delegationen grundgelegt wurde, und über die Bereitschaft zu Kontinuität und effektiver Zusammenarbeit.

3. Die Teilnehmer bekundeten ihre tiefe Wertschätzung bezüglich der deutlichen Stellungnahmen seitens des Heiligen Stuhls, die Gewalt gegen Unschuldige verurteilen und gegenwärtig aufkommende Anzeichen des Antisemitismus anprangern. Dies kommt in den Erklärungen der Kardinäle Walter Kasper, Jorge Mejía und Georges Cottier, die der vatikanischen Delegation der Gemischten Kommission angehören, zum Ausdruck. In diesem Geist schrieb Kardinal Jorge Mejía an die Oberrabbiner in Israel: »Es ist nicht nur grausam, sondern niederträchtig und völlig unvereinbar mit jeder annehmbaren menschlichen Verhaltensweise, Menschen an den Orten ihres Gebetes anzugreifen. « Papst Johannes Paul II. richtete zur Zeit des Treffens der Gemischten Kommission einen eindringlichen Appell an alle Männer und Frauen guten Willens, ihre Stimmen mit ihm zu vereinen, um wiederholt zu bekräftigen, daß der heilige Name Gottes niemals benutzt werden darf, um Gewalt und Terrorismus heraufzubeschwören, um Haß und Ausgrenzung zu fördern.

4. Die Darlegungen konzentrierten sich auf die fundamentalen Lehren in den Heiligen Schriften, die wir gemeinsam haben und die den Glauben an den einen Schöpfer und Lenker des Universums bekennen, der alle Menschen nach seinem göttlichen Ebenbild, ausgestattet mit freiem Willen, geschaffen hat. Die Menschheit ist also eine einzige Familie mit gegenseitiger moralischer Verantwortlichkeit. Das Bewußtsein um diese Realität führt folglich zu einer religiösen und moralischen Verpflichtung, die als eine wahre »Charta« für die Rechte und Würde des Menschen in der modernen Welt von heute dienen kann und die eine authentische Vision für eine gerechte Gesellschaft, für universalen Frieden und Wohlergehen bietet.

5. Wir leben in einem globalen Dorf mit außerordentlichen technologischen und wissenschaftlichen Errungenschaften. Diese konfrontieren uns mit der Herausforderung, sie zum Wohl und als Segen und nicht – gegen Gottes Willen – zum Schaden und als Fluch zu gebrauchen. In dieser Hinsicht dient das globale System der Massenkommunikation als entscheidendes Mittel zur Erziehung. Das impliziert, diese Möglichkeit zur globalen Erziehung in konstruktiver Weise zu nutzen, indem wir die oben erwähnten gemeinsamen religiösen und moralischen Ziele bewahren.

6. Es wurde hervorgehoben, daß die Antwort auf die Herausforderung, religiösen Glauben in der gegenwärtigen Gesellschaft zu fördern, von uns verlangt, lebendige Beispiele der Gerechtigkeit, Güte, Toleranz und Demut zu geben, indem wir uns an die Worte des Propheten Micha halten:

»Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist 
und was der Herr von dir erwartet: 
Nichts anderes als dies: 
Recht tun, Güte und Treue lieben,
in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott« (Mi 6,8).

7. Religiöse Erziehung kann und muß Hoffnung und Orientierung bieten, um die Solidarität unter den Menschen und die Harmonie in unseren komplexen Zeit auf positive Weise zu konfrontieren. Vor allem ist es der Glaube an Gott, der uns wahre Sicherheit und Freude gibt, indem wir uns an die Verse von Psalm 16 halten:

»Ich habe den Herrn beständig vor Augen …  
darum freut sich mein Herz« (Ps 16,8–9).

8. Besonders führende Persönlichkeiten des religiösen Lebens und Erzieher haben die spezielle Verpflichtung, ihre Gemeinschaften so zu leiten, daß sie den Wegen des Friedens und des Wohls der gesamten Gesellschaft folgen. Wir richten diesen Appell besonders an die Familie Abrahams und rufen alle Gläubigen auf, die Waffen des Krieges und der Zerstörung niederzulegen –

»suche Frieden und jage ihm nach« (Ps 34,15).

9. Als führende Persönlichkeiten des religiösen Lebens teilen wir den Schmerz und die Trauer aller, die heute im Heiligen Land leiden – Einzelne, Familien und Gemeinschaften. Wir bringen unsere inständige Hoffnung und unsere Gebete für ein Ende der Prüfungen und der Nöte in dem Land zum Ausdruck, das uns allen heilig ist.

10. Schließlich ermutigen wir unsere eigenen Gemeinschaften, Schulen und Familien, in gegenseitigem Respekt und Verständnis zu leben und sich dem Studium und Unterricht unserer Heiligen Schriften, die wir gemeinsam haben, zu widmen, zur Aufwertung der Menschheit, zu Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt. Auf diese Weise werden die Worte des Propheten erfüllt:

»Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern 
und Winzermesser aus ihren Lanzen.  
Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk,  
und übt nicht mehr für den Krieg« (Jes 2,4).

 

Jerusalem, 
3. Dezember 2003, 8. Kislev 5764

 

Rabbi Shear Yashuv Cohen
(Vorsitzender der jüdischen Delegation)

Jorge Maria Kardinal Mejía 
(Vorsitzender der katholischen Delegation)

 

 

Rabbi Rasson Arussi

S. Exz. Msgr. Giacinto-Boulos Marcuzzo

Rabbi David Brodman

P. Elias Chacour

Rabbi Yossef Azran

Pier Francesco Fumagalli

Rabbi David Rosen

P. Norbert Hofmann S.D.B.

H. Oded Wiener

S. Exz. Msgr. Pietro Sambi, Apostolischer Nuntius

S.Exz. Botschafter Shmuel Hadas