Ansprache bei der Begegnung mit dem Lutherischen Weltbund
und den Repräsentanten von Caritas Internationalis
und Lutheran World Federation - World Service 
am 25. Juni 2021

 

Kurt Cardinal Koch

 

Nach der gestrigen Begegnung und Aussprache darf ich Sie, verehrte Schwestern und Brüder in Christus, erneut hier im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen herzlich begrüssen. Einen besonderen Gruss richte ich heute an die Repräsentanten der diakonisch und sozialethisch bedeutsamen Organisationen des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche, des World Service und von Caritas Internationalis.

Die letzte grosse Begegnung in einem offiziellen Rahmen hat in Lund und Malmö am 31. Oktober 2016 stattgefunden. In der Lutherischen Kathedrale von Lund haben wir in Anwesenheit von Papst Franziskus des 500. Jahrestags der Reformation gedacht, und Papst Franziskus und der damalige Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Jounan, haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet und in ihr der ökumenischen Bedeutung dieses Gedächtnisses Ausdruck verliehen. Anschliessend sind wir nach Malmö gefahren, wo wir eindrückliche Zeugnisse von der ökumenischen Zusammenarbeit auf sozialethisch bedeutsamen Feldern gehört haben und wo der Lutheran World Federation – World Service und Caritas Internationalis eine gemeinsame Erklärung über Vereinbarungen unterzeichnet haben, deren Ziel es ist, die Zusammenarbeit bei der Förderung der unantastbaren Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit zu festigen und zu vertiefen.

Mit den beiden Ereignissen in Lund und Malmö ist gleichsam nachvollzogen worden, was für die ganze Ökumenische Bewegung charakteristisch ist. Sie hat bekanntlich ihren Beginn genommen bei der Ersten Weltmissionskonferenz im schottischen Edinburgh im Jahre 1910. Von dort sind zwei weitere bedeutsame Bewegungen ausgegangen, die die Ökumene bis auf den heutigen Tag begleiten. Die erste ist die „Bewegung für praktisches Christentum“ mit dem Namen „Life and Work“. Sie ist im Jahre 1914 in Konstanz begründet worden und hat sich zum Ziel gesetzt, eine intensive Zusammenarbeit bei der Bewältigung der grossen gesellschaftlichen Herausforderungen in Gang zu bringen, wobei damals das Bemühen um Verständigung und Frieden im Vordergrund stand. Der zweite Zweig der Ökumenischen Bewegung, der sich ebenfalls von Edinburgh herleitet, ist die „Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung“ mit dem Namen „Faith and Order“. Sie ist im Jahre 1948 zu einer eigenständigen Kommission im ökumenischen Weltrat der Kirchen geworden und beschäftigt sich mit den spezifisch theologischen Glaubensfragen, um die Suche nach der sichtbaren Einheit der Kirche im Bekenntnis des einen Glaubens, in der Gemeinschaft im Gottesdienst und in den Sakramenten, in der Kirchenverfassung und in den Ämtern voranzubringen.

Seit Edinburgh ist die Ökumenische Bewegung stets gleichsam auf diesen beiden Beinen vorangeschritten, und auf diesen beiden Beinen muss sie sich auch in der Gegenwart vollziehen und in die Zukunft voranschreiten. Denn auf der einen Seite braucht die sozialethisch orientierte Ökumene die geistlich-theologische, um ihre christliche Identität zu bewahren. Und auf der anderen Seite muss sich die geistlich-theologische Ökumene immer wieder angesichts der säkularen Herausforderungen der jeweiligen Zeit bewähren. Denn wie es Papst Franziskus in Lund betont hat: „Ohne diesen Dienst an der Welt und in der Welt ist der christliche Glaube unvollständig.“[1] Für diese Zusammengehörigkeit der beiden ökumenischen Beine sind die Ereignisse von Lund und Malmö ein glaubwürdiger Anschauungsunterricht gewesen.

Die heutige Begegnung ist ein verheissungsvolles Zeichen, dass die ökumenische Verbindung zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche auch weiterhin auf diesen beiden Beinen in eine gute Zukunft gehen will. Ich heisse Sie alle deshalb nochmals hier im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen zur heutigen Begegnung und zum Austausch willkommen und wünsche den Verantwortlichen und Mitarbeitenden in den beiden Organisationen, dem Lutheran World Federation – World Service und Caritas Internationalis die Kraft und den Mut unseres Glaubens und in allem den begleitenden Segen Gottes.

 

 

 

[1]  Franziskus, Homilie beim Gemeinsamen Ökumenischen Gebet in der Lutherischen Kathedrale von Lund am 31. Oktober 2016.